Wohl fast jeder hat sein eigenes Zimmer, seine eigene Wohnung oder vielleicht auch sein eigenes Haus. Lebt auf dem Land in der Natur oder in einer hippen urbanen Großstadt. Mit viel Liebe fürs Detail oder recht zweckmäßig wird dann der eigene Wohn- und manchmal auch Arbeitsbereich eingerichtet. Jeder nach seinem Geschmack und inspiriert von anderen Wohnungen, die man so gesehen hat, oder von den zahlreichen Einrichtungsshows und Ratgebersendungen im Fernsehen, aber auch durch die diversen Wohn- und Lifestylemagazine. Alles sehr chic, sauber und ordentlich, mal mehr aber auch mal weniger kreativ. Aber leben wirklich so Menschen, wie es in den Hochglanzmagazinen uns gezeigt wird?
Schlagwort: Konsum
Leben in der Konsumgesellschaft
Jeder konsumiert. Licht, Kleidung, Kommunikations- und Unterhaltungselektronik, aber auch Mobilitätstechnik – in der modernen arbeitsteiligen Gesellschaft wird produziert, gehandelt und konsumiert. Jeder ist auf Jeden angewiesen. Die Produzenten und Händler auf Mitarbeiter, die die Waren herstellen. Und die Mitarbeiter (als auch über diverse Transfersysteme (Rente, Arbeitslosengeld als auch Taschengeld alle Anderen) werden wieder die verschiedensten Produkte erworben.
Das ifixit-Manifest für Eigenständige Reparaturen
Früher waren z.B. Autos, aber auch andere Konsumgüter wie Computer, so einfach gebaut, dass man kleinere Reparaturen selbst erledigt werden konnten. Anfang der 90er Jahre haben viele ihre Desktoprechner noch selbst aufgeschraubt, Festplatten und Arbeitsspeicher und CPU´s ausgetauscht. Mittlerweile sind aber die technischen Geräte (Smartphones, Tablet & Co.) aber auch Autos so von den Hersteller konstruiert und gebaut, dass eine Selbstreparatur schlecht bis unmöglich ist. Öffentlich bekannt wurde, dass Displays bei Smartphones und Tablets nun nicht mehr geschraubt, sondern geklebt werden, wodurch ein Austausch nicht mehr ohne Weiteres möglich ist.
Wirtschaft 2050: Bedarfsbefriedigung statt Wachstum
Wirtschaften ist das planmäßige und effiziente Entscheiden über zur verfügungstehende begrenzte Ressourcen für eine bestmögliche eigene oder andere Bedürfnisbefriedigung (Begriffserklärung „Wirtschaften“ bei Wikipedia (1)). Wie sieht das Wirtschaftsleben im Jahr 2050 aus? Seit Jahrzehnten wird um Alternativen und Lösungen philosophiert, aber für Viele hat sich eigentlich Wenig bis Nichts geändert. Die Autos fahren weiter mit Öl, dessen Gesamtverbrauch weltweit von Jahr zu Jahr steigt, obwohl
Cult of Less – Minimalismus in der Konsumgesellschaft
… wenn Weniger mehr ist. Kelly Sutton (1) hat 2009/2010 ein persönliches Experiment gestartet indem er selbst versuchte mit sowenig persönliches Besitz auszukommen wie nur möglich. Sein Blog dazu heißt „Cult of Less“ (cultofless.com) und ist immernoch online.
Ein Auto – braucht man in einer Großstadt wie New York oder auch Hamburg oder Berlin mit einer sehr gut ausgebauten Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs nicht. Medieninhalte aus Büchern, Fotos, Musik und Filme sind bereits digitalisiert, so dass diese auf einer oder wenigen Festplatten Platz finden. Festplatten? – Eigentlich auch überflüssige Gegenstände, solange man einen permanenten Internetzugang hat, so dass Medieninhalte bei den diversen Cloudanbietern gelagert werden können oder auch OnDemand von Medienanbietern kostenlos oder für kleines Geld direkt gestreamt werden können. Und selbst diverse Alltagsgegenstände braucht man nicht mehr zu kaufen, einmal benutzen und anschließend für Jahre im Keller, Kammer oder Dachboden zu verstauen. Kennt man keinen Freund oder Nachbarn, der einen kursfristig aushelfen kann, so bieten mittlerweile zahlreiche Dienstleister, wie erento.com oder Miet24.de ihre Geräte für ein entsprechendes Entgelt an.
Macht Besitz glücklich oder träge? Was braucht der Mensch zum Leben? – Viele Menschen definieren sich selbst über ihren Besitz. Ob es einige Hausbesitzer, einige Autofahrer sind, die ihr Einkommen und ihre Zeit in ihren Besitz stecken. Andere kaufen Konsumwaren, um diese – nein, nicht zu benutzten oder zu verbrauchen – zu horten. Ja, Besitz kann also Inhalt im Leben von Menschen bringen. – Aber es gibt auch andere Menschen, die bestrebt sind, sowenig Besitz wie möglich zu haben. Diese haben weniger als 100 Gegenstände, wobei sie schon ein Sockenpaar als 2 Gegenstände zählen. Dies ist sehr extrem, aber möglich, weil sich ihre Bibliothek mit einigen hundert Büchern auf ein eBook befindet (eBook = 1 Gegenstand) und ihr Büro der Laptop (=1 Gegenstand) ist. Durch die diversen Onlinedienste kann man so sein Büro mit nur einer handvoll von Gegenstände bewältigen.
Durch diese Reduktion auf nur wenige Gegenstände gewinnen also manche Menschen mehr an persönlicher Freiheit. Sie sind mobiler, Reisen viel, sparen Geld, weil Sie weniger kaufen, reparieren und wieder neu anschaffen müssen. Ein Fernseher mit seinen vielen Sendern kann doch auch Menschen daran hindern wieder selbst auszugehen und eigene Erlebnisse zu leben als nur die inszenierten Lifedokus auf der Couch mit den obligatorischen Werbeunterbrechungen passiv zu konsumieren.
Früher war viel und/oder größerer Besitz ein Zeichen von Wohlstand und Unabhängigkeit. Im Gegensatz zu damals entwickelt sich im neuen Jahrtausend ein neues Ideal. Mobilität und Freiheit wird für Viele wichtiger. Nicht das Haben ist das Ideal, sondern das Erleben, Machen, Erreichen. Jeremy Rifkin hat in seinem 2000 erschienenen Buch „Access – Das Verschwinden des Eigentums: Warum wir weniger besitzen und mehr ausgeben werden“ bereits eine veränderte Besitz- und Konsumgesellschaft prophezeit. Zugang und Zugriff zu Dienstleistungen und Gegenstände gewinnen an Bedeutung. Nach über 12 Jahren im neuen Jahrtausend kann man diese Hypothese am Bessten mit der rasante Zunahme der Carsharinganbietern in urbanen Zentren bestätigen.
Die Bedeutung und das soziale Image bzw. Malus von Besitz bzw. Eigentumsrechte (oder eben Nichtbesitz) als auch temporär begrentzte Nutzungsrechte haben wohl ihre Bedeutung verloren. Vieles ist heute möglich. Karstadtbesitzer und Milliardär Berggruen hat nach eigenen Angaben keine eigene Wohnung mehr, sondern fliegt lieber in einer Gulfstream IV und lebt in Hotels (Quelle: Taz-Interview, 14.07.2010: „Ich habe nichts erreicht“(2)). Selbstverwirklichung ist heute wichtiger, ob nun mit oder eben ohne Besitz. Was allerdings zu jeder Zeit und in jeder Situation notwendig ist, sind Kapital für die Beschaffung und den Unterhalt des Besitzes oder für die Nutzungsentgelte als auch das Wissen (bzw. Kenntnisse über Nutzungsmöglichkeiten). Kapital und Wissen sind die beiden Komponenten, um weltweit Wünsche erfüllen und (Konsum-)Bedürfnisse befriedigen zu können.
Quelle:
- (1) kellysutton.com
- (2) taz.de/Interview-mit-Karstadt-Investor-Berggruen/!55544