Lineares Lesen vs. Vernetztes Lesen

Ein Brief, einen Artikel, ein Buch – in der analogen Welt war das fortlaufende Lesen üblich. Man war gewohnt ohne Sprünge nacheinander eine Idee oder eine Story zu folgen. Der Autor konnte so steuern in welcher Reihenfolge gelesen werden soll. Selbst Rahmenhandlungen und Sprünge wurden und werden noch immer in gestalterischen Sequenzen in einer bewussten Reihenfolge fest verankert.
Mit den neuen digitalen Möglichkeiten kann man zwar weiterhin linear Artikel und Bücher lesen. Aber oftmals reichert der Autor seinen Text mit Links an. Mit den Verweisen bezieht sich der Autor auf interne und externe Quellen. Das ist praktisch, denn mit einem Klick ist der Leser auf dem verweisenden Inhalt, um weitere Informationen aus der Quelle zu beziehen.

Allerdings hat es auch einen entscheidenden „Nachteil“: Quellen können wieder zu weiteren Quellen führen. Wie verstreute Brotkrümmel folgt der Leser immer weitere Verbindungen – nicht nur innerhalb eines Textes oder einer Plattform, sondern im gesamten Internet. Sicherlich ist das Internet endlich und begrenzt. Jedoch für einen einzelnen Menschen ist das Internet nicht mehr zu bewältigen und die Gefahr des “Verlaufens” besteht.

So zum Beispiel die Wikipedia.org, ein von vielen Freiwilligen unterstütztes digitales Projekt, wo ich selbst manchmal von Artikel zu Artikel surfe und vom eigentlichen Gesuchten schnell abschweife. Ebenso kann man bei Medium.com das keine „Social Community“ ist wie Facebook, sondern modernes „Social Reading and Writing“ mit einem zwar vorgebenem standardisiertem aber auch von vielen gelobten Design ist, stundenlang interessante Artikel über fast Alles lesen.

Je weiter man also wissbegierig die Verweise verfolgt, desto weiter entfernt man sich vom ursprünglichen Text – Lost in Internet. Dann sollte sich jeder die Frage stellen, ob diese oder jene Ablenkung, die man soeben im Internet gefunden hat, der ursprünglichen Recherche nützt oder vielleicht nur der eigenen Unterhaltung und des Zeitvertreibs dient.

Um dieses Dilemma zu lösen, hilft die eigene Disziplin. Eigene Regeln sollten deshalb aufgestellt werden, z.B.:

  • Links nicht unbegrenzt folgen. Maximal 2 oder 3 Links sollten ausreichen, um festzustellen, ob der Verweis sinnvoll ist. Der erste Verweis ist vielleicht „nur“ ein Verzeichnis oder eine Sammlung, dann sollte gleich eine Zielinformation erscheinen. Zusätzlich kann man noch den Verweis zum Autor oder Ähnlichem wählen. Selbst wenn der Autor weitere Informationen bereithält, so sollte man diese erstmal nicht weiterverfolgen, sondern z.B. als Lesezeichen (Bookmark) speichern und dann auf direktem Weg zurück gehen, um beim eigentlichen Text weiterzulesen bzw. den Gedanken abzuschließen.
  • Falls der eigentliche Text unzureichend oder einfach nur schlechter sein sollte, dann sollte natürlich die bessere neue Linkquelle als neuen Ausgangspunkt genutzt werden.
  • Nachdem der erste Text beendet wurde oder der Gedanke niedergeschrieben wurde, erst dann kann man mit einem zuvor gespeicherten Link (Bookmark) weitermachen.

So entsteht ein dünner Pfad mit einzelnen kleinen Ästen, aber kein Kreuzundquer. Entlang einer Liste, eines Verzeichnisses oder einer Mindmap werden Informationen aus den Quellen gesammelt. Die gesammelten Daten und Informationen müssen dann selbst gefiltert, sortiert, ausgewertet und für die eigenen Zwecke weiterverarbeitet werden. Anschließend kann wieder auf die (Informations-) Jagd gegangen werden. Man bleibt aber beim Kernthema und schweift nicht zu weit ab.

Das ist schwierig, weil immer wieder noch interessantere Themen den Pfad durchqueren und man selbst (auch ich selbst) immer wieder versucht ist, sich mit Dingen zu beschäftigen, die nicht zielführend sind. Um trotzdem dem Drang nicht nachzugeben, sollte man sich selbst (zeitliche) Freiräume schaffen. Denn wenn die eigentliche Aufgabe erledigt ist, „belohnt“ man sich mit den interessanten, aber nicht zur eigentlichen Aufgabe verweisenden Inhalten.

Das vernetzte Lesen bietet viele Möglichkeiten. Entscheidend ist aber weiterhin, dass Lesen weiterhin Spaß machen soll.