Steigende Pflegeversicherungsbeiträge werden ein Wettbewerbsnachteil für Arbeitnehmer sein.

Der (meteologische) Sommer endet heute am letzten Tag im August. In den Nachrichten dominierten zwei Themen: Zuerst die Staatsschuldenkrise Griechenlands und dann der anhaltende Flüchtlingsstrom aus Afrika und Syrien. Beides wichtige Themen. Allerdings nur kurzfristig auf dem medialen Nachrichtenradar war die 2. Stufe zur Pflegeversicherungsreform.

Das Bundeskabinett hat am 12.08.2015 die von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) angestoßenen Pflegereform beschlossen (1), welche dann als Pflegestärkungsgesetz II zum 01.01.2017 in Kraft treten soll. Sicherlich wurde das Gesetz mit bester Absicht für die zahlreichen Pflegebedürftigen erarbeitet. So wird zukünftig die Pflegebedürftigkeit neu definiert und nicht mehr mit medizinischen Krankheiten begründet, sondern vielmehr die Einschränkungen der Einzelnen im Alltag bewertet.

Und wieviel wird diese Reform den Beitragszahlern kosten? Das Gesundheitsministerium schätzt die Kosten des Pflegestärkungsgesetzes II im ersten Jahr auf circa fünf Milliarden Euro. Deshalb soll sich der Beitragssatz zur gesetzlichen Pflegeversicherung um weitere 0,2 Prozentpunkte erhöhen und wäre somit bereits die zweite Erhöhung in dieser Legislaturperiode. Zum Jahresbeginn stieg bereits der Beitragssatz für die Pflegeversicherung um 0,3 Prozentpunkte auf aktuell 2,35 Prozent. Ab 2017 wird er also 2,55 Prozent betragen. Kinderlose ab 23 Jahren zahlen weiterhin einen Zuschlag in Höhe von 0,25 Prozentpunkten.

Die grüne Opposition kritisierte bereits die mangelnde Finanzierung. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird weiter steigen und die Zahl der Erwerbstätigen sinken, was zu weiter steigenden Beitragserhöhungen führen wird, so befürchtete es die pflegepolitische Sprecherin Elisabeth Scharfenberg (2).

Dabei deckt die Pflegeversicherung häufig nur einen Teil der tatsächlichen Kosten. Die darüber hinaus entstehenden Pflegekosten müssen weiterhin die Betroffenen selbst oder deren Angehörigen tragen. D.h. die Kinder zahlen einerseits die erhöhten Pflegeversicherungsbeiträge, zugleich müssen sie möglicherweise für ihre pflegebedürftigen Eltern aufkommen, eigene Kinder – falls noch vorhanden – versorgen und die zunehmend steigenden Bildungskosten finanzieren, und natürlich für die eigene Alterssicherung sorgen. Achja, und für die wachsende Volkswirtschaft sollten sie auch noch kräftig konsumieren. Bei bedrohten Beschäftigungsverhältnissen und unsicherer Lohnentwicklung (3) funktioniert dies nur sehr begrenzt.

Ohnehin wird die jetzige Pflegereformen die weitere Umverteilung zu Lasten der aktuell und zukünftigen Arbeitnehmern zu Gunsten der Älteren fördern. Und dies obwohl die demographische Entwicklung seit Jahren und Jahrzehnten absehbar war.

Nichtsdestotrotz steigen die Personalgesamtkosten für die Unternehmen. Dies führt zu einer komparativen Verschlechterung der menschlichen Arbeitsleistung im Vergleich zur technologischen Wertschöpfung. Durch einer zunehmenden Automatisierung und Digitalisierung wird es immer attraktiver betriebliche Prozesse zu entmenschlichen. Der vermehrte Einsatz von intelligente Maschinen und Systemen wird zu einer degressiven Kosten- (bzw. die Preis-)entwicklung führen (Economy of Scale – Nutzen von Mengeneffekte). Je mehr technische Lösungen günstiger sein werden als die menschliche Arbeit, desto häufiger kommen eben die technischen Lösungen statt Arbeitnehmer zum Einsatz. Dies ist die ökonomische „Singularität“.

Die logische Gegenbewegung wäre es die Löhne wie bereits von Arbeitgebern der Metall- und Elektronikindustrie gefordert zu senken (3), so dass menschliche Arbeit noch eine Weile einen gewissen Kostenvorteil hat. Niedrigere Löhne können allerdings nicht die Lösung sein. Nicht für die Arbeitnehmer und nur temporär für die Arbeitgeber. Und dank des Mindestlohns wird diese Abwärtsspirale bis zum gesetzlichen Mindestlohn vorerst auch begrenzt sein, dann jedoch durch eben den Mindestlohn zu mehr Arbeitslosigkeit führen.

Wichtig wäre es jetzt, nicht nur die Arbeitslöhne (also die menschliche Wertschöpfung) zur Finanzierung der Sozialversicherungssysteme zu belasten, sondern auch die andere technische Komponente der Wertschöpfung miteinzubeziehen. Auch wenn dadurch die Kapitaleinkünfte der Unternehmenseigentümer geschmälert werden, so führt es endlich zum gesellschaftlichen Ausgleich, welcher in Zukunft einfach notwendig sein wird.

Die Erhöhung der Personalnebenkosten, z.B. der Pflegeversicherung, es hätte aber auch eine andere Sozialversicherung sein können, führt nicht nur zu weniger Nettolohn der Arbeitnehmer, sondern auch zur Gesamtpersonalkostenerhöhung. Der ökonomische Wettkampf mit intelligenten Maschinen und Algorithmen hat bereits bekommen. Es ist Zeit sich dem zu stellen. Nicht nur die demographische Entwicklung ist zu meistern. Die einfache Erhöhung der Pflegeversicherung scheint mir nicht der richtige Weg zu sein, auch wenn es die einfachste Lösung war. Der Verteilungskampf wird dadurch nur verschlimmert. Eine bessere Finanzierung des Sozialstaates mit einer Technologie- bzw. Maschinensteuer sollte daher bald umgesetzt werden.

Quellen:

  • (1) http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/pflegereform-aus-drei-mach-fuenf-1.2603931
  • (2) http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-08/pflegereform-gesundheitsministerium-kabinett-groehe/komplettansicht
  • (3) http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/lohngruppen-metall-arbeitgeber-fordern-neuen-einstiegstarif-a-1050633.html