Die europäische Vision ist größer!

Ist der europäische Traum gescheitert? Seit Wochen, Monaten und Jahren versuchen die europäischen Staaten, die EZB in Zusammenarbeit mit dem IWF die griechische Schuldenkrise zu lösen. Trotz Erfolge in Irland und Portugal steht Griechenland nun vor der Superkatastrophe – der sogenannte Grexit. Griechenland soll aus zum Euro austreten und anschließend wird die neue griechische Drachme abgewertet. Sicherlich eine Lösung mit gewissen Vorteilen.

Allerdings wäre es dann für alle Beteiligten ein Eingeständnis gescheitert zu sein. Auch wenn es scheint, dass dies “ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende” ist. So sind die Probleme in und mit Griechenland nicht gelöst, sondern erreichen dann nur noch dramatischere Dimensionen. Importe, z.B. Medikamente oder Energieprodukte – insbesondere für die Ärmsten – werden dann erst recht unbezahlbar sein. Aber auch für Deutschland wird es dann Geld kosten.

Bisher wurden 53,7 Mrd.€ an Bürgschaften gegeben. Die KfW hat im 1. Rettungspaket 15,2 Mrd.€ an Griechenland gezahlt, gebürgt durch die Bundesregierung. Sollte nun jedoch die KfW ihr Geld abschreiben, so wird sie sich an den Bürgschaftsgeber wenden, um die Verluste erstattet zu bekommen. In diesem Moment wird die Staatskasse zahlen müssen. Im 2.Rettungspaket kamen weitere 38,5 Mrd.€ an Bürgschaften hinzu. Die Bürgschaftsmilliarden sind allerdings bisher „nur“ Sicherheiten, also Zahlungsversprechen im Falle, dass der (Teil-)Ausfall eintritt, aber noch keine Zahlungen. Mit den Sicherheitsversprechungen wurde die Entscheidung gefällt. Im Moment des Kreditausfalls oder auch signifikanten Teilausfalls geht es an die Kasse. Das und nur das Versuchen die Politiker jetzt zu vermeiden, denn es wäre ihr Scheitern.

Diese Kosten könnte der deutsche Staat sich leisten. Aber trotz guter Konjunktur und historisch niedrigen Zinsen kämpft der Finanzminister mit einem ausgeglichenem Haushalt. Zu groß sind die Ansprüche, die befriedigt werden wollen, und auf der Einnahmeseite versuchen Konzerne und international agierende Beratungsfirmen und Banken deutsche Steuerlasten zu minimieren. Stattdessen wird die lokale Wirtschaft und einfachen Bürger über stetig steigende Steuern und Abgaben direkt oder indirekt belastet (z.B. durch Umsatz-, Einkommens-, Grund, Grunderwerbs-, und weiteren Verbrauchssteuern) – wie auch in Griechenland, wenn auch die Dimensionen andere sind.

Die Bürger verstehen vielleicht nicht alle Zusammenhänge der europäischen Schuldenkrise, aber sie erleben die Folgen der jahrzehntelangen Europapolitik in ihrem täglichen Leben. Freies Reisen, europaweiter Handel mit einer Währung, Leben und Arbeiten in einem weitgehend vereinheitlichten Rechtsraum – das sind die positiven Erfahrungen. Frieden, Freiheit und Wohlstand in Europa sind großartige Erfolge, die unter anderen erst durch Charles de Gaulle und Konrad Adenauer ermöglicht wurden. – Nun aber wird mit dem Grexit vielleicht erstmals ein Staat den europäischen Währungsraum verlassen. Welche Folgen wird es langfristig für Europa und die europäische Vision haben?

Dabei hat Deutschland selbst Erfahrungen sammeln können, die z.B. Frankreich oder Italien nicht gemacht haben. Die deutsche Einheit ist seit 25 Jahren nicht nur extrem teuer, sondern auch ein emotionaler Prozess, der trotz oder gerade wegen aller Schwierigkeiten weitestgehend erfolgreich gemeistert wurde und wird. Die aktuellen deutschen Spitzenpolitiker haben diesen Prozess sowohl miterlebt als auch zum Teil mitgestaltet. Jedoch ein Zurück zu zwei deutschen Staaten war trotz aller Milliarden nie eine Option.

Vielleicht sollte man mal wieder an den Geist der Anfangsjahre der europäischen Einheit denken und an das stoische Durchhalten der deutschen Einheit sich erinnern. Kompromisse und Zugeständnisse aber auch gegenseitiges Zuhören und Verständnis beiderseits sind notwendig. Was nicht gebraucht wird, ist das Beharren auf (manchmal nur persönliche) Prinzipien oder Ideologie. Ein verbales Abrüsten und eine sachliche Kompromissbereitschaft bei den Spitzenpolitikern beiderseits wäre jetzt hilfreich.

Es wäre eine Schande, wenn der europäische Traum nur wegen des Geldes zerbricht, denn die europäische Vision ist größer. Auch wenn die Gelder immer besser verwendet werden könnten und sollten, so ist bereits das Erreichte der Verwirklichung der europäischen Idee das Geld Wert gewesen. Und so werden auch diesmal wieder die Milliarden zur Überbrückung dieser Krise gut investiertes Geld sein. Schade nur, dass es so kompliziert, so lange und so teuer geworden ist, aber das ist eben der Preis unserer Demokratie deren Grundprinzipien im antiken Griechenland entwickelt wurden. Es bleibt zu hoffen, dass die griechische Schuldenkrise nicht der Anfang vom Ende der europäischen Idee wird.