Ein möglicher Kompromiss bei der Netzneutralität

In dieser Woche dürfte es zum Eklat zwischen dem EU-Parlament und dem EU-Rat kommen. Wie Spiegel Online am 29.05.2015 (1) berichtete, geht es um ein ganzes Gesetzespaket, welches die zukünftige Telekommunikation neu regeln soll. Es wird nicht nur die Abschaffung der Roaminggebühren für Gespräche, SMS und Datennutzung innerhalb der EU entschieden – welche nun später erfolgen werden, sondern auch um eine gesetzlich garantierte Netzneutralität, bei der die Telekommunikationsunternehmen zur Gleichbehandlung aller Daten im Internet verpflichtet werden sollten. Im aktuellen Gesetzentwurf der lettischen Ratspräsidentschaft wurde allerdings das Wort “Netzneutralität” und deren gesetzliche Erläuterung gestrichen, welches noch im Gesetzesentwurf des EU-Parlarment enthalten war. Stattdessen sollen Möglichkeiten gesetzlich verankert werden, die priviligierte Sonderdienste ermöglichen.

Laut Wikipedia ist Netzneutralität(2) „die Gleichbehandlung von Daten bei der Übertragung im Internet und den diskriminierungsfreien Zugang bei der Nutzung von Datennetzen. Netzneutrale Internetdienstanbieter behandeln alle Datenpakete bei der Übertragung gleich, unabhängig von Sender und Empfänger, dem Inhalt der Pakete und der Anwendung, die diese Pakete generiert hat.“

Die Netzneutralität war von Beginn an technisch bedingt gewährleistet. Seit der Entstehung des Internets war der einfache und gleiche Zugang zu Informationen sowie die Möglichkeit zu gleichen Bedingungen Informationen selbst publizieren zu können, der Erfolgsfaktor gewesen.

In der Folge bedeutet Netzneutralität für Telekommunikationsunternehmen stetig steigende Investitionen und somit steigende Kosten, um die notwendige Kapazitäten für ein schnelles Internet mit einer exponentiell wachsenden Datenmenge bereitzustellen. Alternativ sind sie bestrebt die vorhandenen Datennetze bestmöglich auszulasten und Datenstaus zu vermeiden. Dies wäre durch eine unterschiedliche Priorisierung der Daten möglich, so dass bestimmte Daten weiterhin an die Endnutzer gelangen, während die „normalen“ Daten sich dann „hinten an stellen“ müssen. Hierbei sind auch Preismodelle von Telekommunikationsunternehmen genannt worden, die von großen Inhalteproduzenten für die entsprechende („bevorzugte“) Datendurchleitung zahlen sollen (um die Investitionen zum Datennetzausbau zu finanzieren).

Im gleichen Wikipediaartikel steht hierzu, dass Kritiker solcher Datendifferenzierungen nun die Einschränkung bestimmter Inhalte (bzw. Daten) zum Vorteil finanzstarker Unternehmen befürchten. Diejenigen, die es sich dann leisten können, kaufen sich so die Datennetz- bzw. die Informationshoheit und verdrängen so andere Inhalteanbieter. Eine Monopolisierung könnte dann die Folge sein.

Andererseits gibt es mittlerweile technische Entwicklungen, z.B. die Fernsteuerung von Energienetze, Datenübertragungen im Verkehrswesen oder auch Entwicklungen im Gesundheitswesen. Diese Steuerungsdienste werden zunehmend sicherheitsrelevant werden. Deshalb kann es notwendig sein, dass diese Dienste fast immer störungsfrei funktionieren. Warum sollten diese Dienste nicht priviligiert werden?

Ein Beispiel: Sicherlich sind Shopping-, Streaming- oder Blogdaten nicht sicherheitsrelevant und können daher unter gleichen Bedingungen im Internet miteinander „konkurrieren“. Premiumdienste für eCommerce, Streaming und Anderes, die die Daten von bestimmten Anbieter bevorzugen, gefährden die gesellschaftlichen Anspruch der Gleichbehandlung aller Daten im Internet. Allerdings der Datenaustausch für das autonome Fahren (Autos, Züge), der Datenaustausch zur Steuerung von dezentralen Sonnen-, Wind- und Wasserenergieanlagen oder der Datenverkehr bei medizinische Anwendungen (Operationen, wobei der Chirurg die OP ferngesteuert durchführt) sollten eine objektive berechtigte Bevorzugung erhalten. Würden diese mit irgendwelchen Musik- oder Videostreamings bei der Übertragung konkurrieren, könnte dies zu ernsthafte Verzögerungen und so zu Störungen führen. Die Auslagerung bestimmter Dienste, die zur Versorgungssicherheit der Gesellschaft dienen, z.B. begrenzt auf medizinische Anwendungen oder im Energie- und Vekehrsbereich, könnte so die Lösung sein ohne den Anspruch der netzneutralen digitalen Kommunikation zu gefährden. Die normalen Inhalteanbieter bleiben im Internet – ohne Datenprivilegien.

Wenn es also berechtigte Notwendigkeiten gibt, so kann eine parallele Dateninfrastruktur zur Verbesserung führen. Das Internet für die multimedialen Kommunikation, in dem alle Daten gleich behandelt werden, und einem oder mehrere parallele Datennetze für den Datenaustausch von Maschinen (Energienetze, automatisierte Mobilität) sowie für medizinische und anderen staatlichen hoheitliche Anwendungen begrenzt für wenige qualifizierten Nutzern.

Mein Gedanke basiert auf folgende Analogie: Neben den Verkehrsstraßen für Autos, LKW´s und Bussen, für die alle die gleichen Verkehrsregeln gelten (vergleichbar mit dem Internet), gibt es doch auch noch den Schienenverkehr, die Seewege und seit etwas mehr als 100 Jahren den Luftverkehr. Wenn man so will, ist vor ca. 50 Jahren auch noch das Weltall für Satelliten als weiteren Transportweg hinzugekommen. Jeder dieser Transportwege hat Vor- und Nachteile, aber sie sind von den anderen getrennt (obwohl ein Austausch natürlich an entsprechenden Punkten stattfindet). Für eine störungsfreie Nutzung ist der Zugang zu diesen Transportwegen beschränkt.

Klare Regeln begrenzen den Zugang zu den neuen Netzen. So wie nicht jeder Autofahrer ein Flugzeug fliegen darf, so sollten Inhalteanbieter nicht in anderen Netze ausweichen können. Diese sollten weiterhin die gleichen „(Daten-) Straßen“ nutzen wie die Anderen.

So ähnlich können mehrere Datennetze zusätzlich neben dem bisherigen Internet entstehen, ohne dass auf Netzneutralität innerhalb des allgemeinen Internets verzichtet werden muss. Des Weiteren entlasten die neuen Datennetze das Internet. Die Bestimmungen für den beschränkten Zugang zu diesen neuen Netzen sollten offen, demokratisch und transparent sein. Dies ist die Aufgabe der Politik. Sollte dies möglich werden, hätten alle etwas davon.

Quellen:

  • (1) http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/netzneutralitaet-eu-staaten-wollen-zwei-klassen-internet-a-1036290.html
  • (2) http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Netzneutralit%C3%A4t&oldid=142654036