Wird die europäische Zukunft von amerikanischen Ratingagenturen bestimmt?

Wird 2012 wieder ein Land der Europäischen Union oder eine europäische Bank von einer der drei Ratingagenturen zurückgestuft oder mit negativen Ausblick unter weiterer Beobachtung gesetzt?

Der eigentliche Zweck von Ratingagenturen ist es die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden (Banken, privaten Unternehmen aber auch Staaten) zu bewerten. Dies tun die Banken, Unternehmen und Staaten um sich auf dem Kapitalmarkt Geldmittel zu beschaffen. Mit diesen Geldmitteln können die Schuldner neue Investionen, laufende Ausgaben oder alte Verbindlichkeiten bedienen. Diese Bewertung macht fast jeder Gläubiger, welcher Anderen Geld leiht.

Der Unterschied zu den Kleinkrediten von Privatpersonen für z.B. Auto- oder Hauskauf oder klein- und mitteltständigen Unternehmen, bei denen die Banken selbst eine Art internes Rating machen, ist, dass größere Schuldner die Möglichkeit haben sich bei vielen Gläubigern Geld zu leihen. Diese wünschen allerdings, dass ein unabhängiger Dritter die Kreditwürdigkeit bzw. Bonität des Schuldner bewertet. Ratingagenturen bewerten die Rückzahlungsfähigkeit durch Analyse der Bilanzen, des Zahlungsverhaltens und anderer zugänglichen Informationen. Das Ergebnis der Bewertungen werden als bekannte Buchstabenkombination veröffentlicht, die in der Regel von AAA bzw. Aaa (beste Qualität) bis D (zahlungsunfähig) reicht.

Die bedeutendsten und öffentlich bekanntesten Ratingagenturen sind:

  • Moody’s Investors Service, moodysanalytics.com, mit Sitz in New York (seit 1909),
  • Standard & Poor’s Ratings Services, standardandpoors.com, mit Sitz in New York (gegründet 1941 und seit 1966 eine Tochtergesellschaft von McGraw-Hill) sowie
  • Fitch Ratings, fitchratings.com, mit Sitz in New York (Teil der Fitch Group, mehrheitlich im Besitz der französischen Fimalac S. A. und dem amerikanischen Medienkonzern Hearst Corporation, gegründet 1913).

Die Creditreform Rating AG, creditreform.de, mit Sitz in Neuss und die Euler Hermes Rating GmbH, eulerhermes.com, sind die beiden einzigen deutschen Ratingagenturen, welche sich seit Kurzem stärker am Markt profilieren versuchen. Frühere Versuche deutsche Ratingagenturen zu etablieren sind gescheitert. International weitere bekannte Ratingagenturen sind die Dominion Bond Rating Service (DBRS), dbrs.com, aus Kanada und die Japan Credit Rating Agency Ltd., jcr.co.jp/english, mit Sitz in Tokyo. Aus China ist die Dagong Global Credit, dagongcredit.com, bekannt geworden, weil sie den USA lange vor den Großen drei Ratingagenturen wegen der zunehmenden Schuldenproblematik keine Bestnote gegeben hatte.

Bereits im letzten Jahrzehnt wurde die Kritik gegen den Ratingagenturen immer lauter, weil sie Unternehmen und Finanzprodukte zum Teil Bestnoten gaben, jedoch kurzdarauf die Investoren hohe Verlusten mit diesen Wertpapieren erlitten. Nun jedoch wird jede Anpassung durch eine Runterstufung von vielen Seiten kritisiert. Man könnte nun meinen, dass die Ratingagenturen es den Investoren, den Auftraggebern oder bei den Staaten den Politikern selten recht machen können. Entweder fallen die Ratings zu sehr zu Gunsten der Auftraggeber, also der Schuldner (Unternehmen, Staaten) aus, weil die Ratingagenturen selbst weitere Geschäften machen wollen, oder die Ratings sind schlechter als die Auftraggeber es selbst erwartet haben und so die Risikoaufschläge für die Unternehmen und Staaten höher werden.

Besonders bei den Abwertungen von europäischen Banken und Staaten fällt mittlerweile eine gewisse Systematik auf. Sicherlich ist eine Abwertung auf Grund der aktuellen Schuldenkrise in Europa gerechtfertigt. Allerdings beim Vergleich der amerikanischen Schuldensituation mit der europäischen Schuldensituation ist eine gewisse Ungleichbehandlung auffällig. Ein Vergleich der Zentralbankbilanzen zeigt folgendes (Quelle: Wirtschaftswoche, wiwo.de, Nr. 52/2011, S.34):

  • Staatsschulden in den Bilanzen der Zentralbanken im Vergleich:
    • amerikanische FED: bisherige Ankäufe von 800 Mrd.$ auf 2,8 Mrd.$ gewachsen, 56,3 % sind davon Staatschulden nach Berechnungen von Diego Valiante, Ökonom am Centre for European Policy Studies in Brüssel. Die FED finanziert somit 11,3% der Schulden der USA.
    • europäische EZB: bisherige Ankäufe von mehr als 200 Mrd. €. Dies entspricht lediglich 5,5% der EZB-Bilanz, also nur knapp halbsoviel wie bei der FED
  • Geld der Zentralbank für private Finanzinstitute:
    • amerikanische FED: 29 Billionen $
    • europäische EZB: 1 Billion €

Amerikanische Ratingagenturen machen also europäische Banken und Staaten schlechter, so dass die USA und die amerikanischen Finanzinstitute, welche eigentlich bei einem direkten fundamentalen Vergleich der Fakten schlechter darstehen, dann durch die Ratings doch noch relativ besser bzw. nicht so schlecht bewertet werden. Egal wie nun die einzelnen Ratings zustande kommen, entscheidend sind jedoch die Folgen, welche nun geschehen. Die weltweiten Geldflüsse haben sich umgedreht. Gab es noch vor und nach der Abwertung der USA sowie dem amerikanischem Schuldenkompromiss Anfang August 2011 einen Kapitalabfluss aus den USA nach Europa, drehte sich in den Folgemonaten wieder der Kapitalfluss um. Der Euro-/Dollarwechselkurs gab seit August 2011 von über 1,42$ je € auf etwa 1,30€, wohingegen genau die entgegengesetzte Entwicklung in der ersten Jahreshälfte 2011 geschah.

Solche Entwicklungen (Kapitalwanderung in die USA zur Finanzierung der US-Staatsschulden), die mit dem Abwerten der europäischen Staaten und Banken erzielt werden sollen, lässt zumindest vermuten, das es noch andere Interessen (politisch finanziell motivierte Interessen) gibt. Ganz einfach gesagt: Man macht den anderen schlechter, um selbst nicht ganz so schlecht zu sein, so dass die Bonbons (das Anlegerkapital) trotzdem (weil man relativ dann doch nicht so schlecht ist) zu einem kommt.

Es wird also auch 2011 spannend, wie Investoren, Ratingagenturen, Banken und Staaten das dynamische Gleichgewicht der Weltwirtschaft ausbalancieren (versuchen). Denn trotz des gefallenen Euro´s in den letzten Monaten ist er immernoch stärker als zu Beginn mit einem Wechselkurs um die 1,18 (Einführungswechselkurs am 01.01.1999: 1,1747 US-$ je €) und ein billiger Euro ermöglicht europäische Waren und Dienstleistungen in Relation billiger auf den Weltmärkten anzubieten. Auch somit kann Europa durch Wettbewerbsverbesserung durch einen billigeren Euro seine Schuldenkrise langfristig bewältigen. Wie die Amerikaner es machen wollten bleibt abzuwarten, denn das System der Finanzierung immer weiterer Schulden hat auch diesmal funktioniert, jedoch ob sich etwas ändert wird bleibt abzuwarten. Europa hat jedoch beste Chancen durch sinnvolles Sparen und gezielte Entwicklungsmaßnahmen nicht nur die Leistungsfähigkeit sondern auch Stabilität der europäischen Wirtschaft zu erhöhen. Denn in jeder Krise steckt auch eine Chance, welche nur ergriffen werden muss.